07.01.2007

Seit Jahren spielt Julian gerne Laden und Verkaufen, aber seit einigen Wochen hat er wirklich durchgehend etwas laufen - mal ist es ein Buchladen, dann ein Postamt, manchmal eine Modelleisenbahnanlage, meistens allerdings ein kleiner Krämerladen. Der letzte "Tante Emma"-Laden mit Imbiss hat sich fast drei Wochen in der Ecke unseres Wohnzimmers gehalten. Sein Unternehmen nimmt Julian dabei sehr ernst: jeden Morgen sammelt er die Ware, die er am Vortag verkauft hat, wieder ein, transportiert sie zu seinem Laden und legt die Ware neu aus. Dann dreht er sein "Open, come in./Will return... (Uhrzeit)"-Schild um und wartet geduldig auf Kunden. Wer bei ihm einkauft, bekommt eine handgeschriebene Quittung mit Einzel- und Endpreisen und manchmal auch Gutscheine, die man beim nächsten Einkauf einlösen kann. Julian integriert immer mehr Details in seine Projekte. So hat er jetzt beispielsweise ein Schälchen mit der Aufschrift "Tips" aufgestellt, wo man ein Trinkgeld hinterlassen kann, wenn man den Service besonders gut fand (guter Service am Kunden wird hier in Kanada schließlich groß geschrieben). Und seit Weihnachten verkauft er täglich eine selbst erstellte Zeitung mit Nachrichten und Anzeigen. In der Ausgabe vom 24.12. wurde beispielsweise verkündet: "MERY CRISTMES TODAY WE'R MAIKING A TURKY PLEASE KOM." All diese selbst gewählten Aktivitäten umfassen jede Menge Schreiben und Rechnen. Jedes Mal, wenn er seinen Laden schließt, stellt er die Uhrzeit ein, wann er wieder kommt - dabei "übt" er aber nicht "die Uhr lesen", sondern er stellt eben einfach die Uhrzeit ein, es ist Teil seines Spiels, dass er seine Kunden (also uns) informieren möchte, wann sein Laden wieder geöffnet sein wird. Welch ein Unterschied wäre es, wenn ich beschlossen hätte, wir könnten doch mal Verkaufen spielen, damit er Wechselgeldbeträge ausrechnen lernt, und ihm dieses Plastikschild mit Uhrzeigern gekauft hätte, damit er die Uhr lesen übt. Es wären künstliche Lernsituationen und Julian hätte sicherlich nicht länger als ein paar Minuten Spaß daran. So aber ist es sein Projekt und er verbringt jede Woche etliche Stunden damit.

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